Hiob erhält Antwort
Gottesdienst am 28.10.2007

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
"Wer betet, lebt gesünder, länger, glücklicher. Der Glaube bringt für das Leben Vorteile. Dumm, wer sich das entgehen lässt." Immer wieder lockt diese oder eine ähnliche Schlagzeile Leser und Leserinnen, sich die Vorteile eines Glaubens an eine höhere Macht nicht entgehen zu lassen.

Nahe liegend ist es, den Glauben auf seinen Nutzen hin abzuklopfen. Und wenn er sich lohnt, sollte man sich diese Chance zur Lebensverbesserung auf keinen Fall entgehen lassen.

So können wir uns auch fragen: Glauben wir an Gott, vertrauen wir Jesus Christus, weil wir uns davon Vorteile versprechen? Weil wir auf ein einfacheres Leben hoffen und den Segen Gottes erwarten? Das ist eine Perspektive, die ich auf Gott richten kann: Was bringt er mir?

Eine andere Perspektive ist die von Gott zum Menschen. Wenn er uns liebt, will er, dass wir ihm nur aus Nützlichkeitserwägungen auf seine Liebe antworten? Freut sich die Braut, die ihrem Bräutigam das Ja-Wort gibt, wenn er sie nur heiratet, weil sie eine Millionen-Erbin ist? Sie wäre doch wohl tief enttäuscht, wenn der Bräutigam ihr ein solches Motiv für seine Liebe gestehen würde. Sie will um ihrer selbst willen geliebt werden.

Ich erahne, dass Gott tief enttäuscht ist, wenn er merkt, dass Menschen nur an ihn glauben, weil sie ein gesünderes, längeres Leben führen wollten.

Dieses Thema zieht sich durch die ganze Bibel. Wer ist Gott für seine Geschöpfe? Der Goldesel, der Sklaventreiber oder der wie ein Vater, eine Mutter Liebende, der für seine Kinder da ist?

Eine besonders herausgestellte Lebensgeschichte zu diesem Thema entfaltet das Buch Hiob. Es lässt uns auf drei Bühnen schauen, die erste Bühne ist der Himmel, dort wird eine Szene im himmlischen Thronsaal beschrieben. Die zweite Bühne lässt die Lebensgeschichte Hiobs wie im Zeitraffer ablaufen. Die dritte Bühne nimmt den größten Platz in Anspruch. Sie beschreibt Hiobs Innerstes, seine Gefühle, Gedanken, seine Beziehung zu Gott - sein inneres Leben.
Die gemeinsame Überschrift über alle drei Bühnen heißt: "Ist Gott für einen Menschen nur nützlich, wenn er ihm Vorteile bringt?"

Der himmlische Thronsaal

Um Gottes Thron herum stellt sich Gottes Gefolge auf, darunter auch der Satan. Gott fragt den Satan, woher er komme. Der Satan antwortet, er habe die Erde inspiziert, dabei auch den Gott besonders treuen Hiob in den Blick genommen. Satan verdächtigt Hiob, sich nur an Gott zu halten, weil es ihm gut geht. Gott widerspricht Satan. Er hält Hiobs Vertrauen für echt. Doch lässt er sich auf einen Test ein. Satan solle Hiob alles bis auf das nackte Leben nehmen, um festzustellen, dass Gott Recht behält.

Diese himmlische Szene stellt vor Fragen. Würfelt Gott mit Satan darum, wer ihm treu bleibt und wer nicht? Hat Gott kein Interesse daran, seinen treuen Hiob vor den Angriffen des Teufels zu schützen? Warum gibt er ihn preis? Verschiedene Sichtweisen auf diese Himmelsszene sind möglich.

  • Aus der Erfahrung des Hiob, dass er sich von Gott fallen gelassen fühlt, ist dieses Vorwort abgeleitet. Nicht Gott schickt ihm das Böse, sondern Gott lässt es geschehen - mit menschlichen Bildern ist dies ausgeschmückt.
  • Es geht hier um eine Beispielgeschichte. Nur Hiob steht im Mittelpunkt, auf das Schicksal seiner Familie wird kein Augenmerk gerichtet.
  • Gottes Zutrauen zu Hiob ist entscheidend. Er lässt den Satan nur agieren, weil er sich sicher ist, dass Hiob nicht von ihm abfallen wird. Gott lässt den Satan gewähren, aber er lässt Hiob dabei nicht los.
  • Das eigentliche Thema des Vorworts ist: Wer hat Recht – Gott oder Satan? Sind die Menschen bei Gott, weil sie sich Vorteile erhoffen oder weil sie ihn lieben?
Die Biografie Hiobs
Hiob ist ein reicher Mann mit 10 Kindern. Aber alles wird ihm binnen kurzer Zeit genommen, die Kinder, der Reichtum. Darauf resümiert er: "Ich bin  nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt!" (Hiob 1,21). In einem zweiten Anlauf des Satans wird Hiob schwer krank. Seine Ehefrau drängt ihn, Gott zu verlassen. Hiob antwortet ihr: "Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?" (Hiob 2,10). Hiob bleibt bei Gott. Am Schluss wird er für das empfangene Leid reich entschädigt. Gott gibt Hiob viel mehr als er vorher gehabt hat, 10 wunderschöne Kinder, 140 Jahre weitere Lebenszeit, in der er vier Generationen Nachfahren erleben darf, und "Hiob starb alt und lebenssatt" (Hiob 42,17).

Hiobs tiefstes Innerstes

Als Hiob von allen verlassen ist und krank und elend in der Asche sitzt, kommen drei Freunde zu ihm, um ihn zu trösten. Zuerst sitzen sie sieben Tage schweigend neben Hiob und signalisieren ihm ihre Nähe und ihre Anteilnahme. Doch dann fangen sie an, nach der Ursache für sein Leid zu suchen. Woher kommt Hiobs Leiden? Ist es Strafe für eine verborgene Schuld? Als Hiob weit von sich weist, eine verborgene Schuld begangen zu haben, die diese Strafe nach sich führt, verschärfen die Freunde ihren Ton. Sie klagen Hiob an. In ihren Augen muss Hiob schuld an seinem Ergehen sein, denn Gott würde einen Gerechten niemals bestrafen. Hiob beleidigt Gott, wenn er weiterhin stur behauptet unschuldig zu sein.

Doch Hiob bleibt dabei, er ist unschuldig. Er wendet sich von seinen Freunden ab und setzt sich direkt mit Gott auseinander. Er bestürmt ihn, um herauszufinden, ob Gott, den er für seinen Freund hielt, nun zum Feind geworden ist. Hiob breitet vor Gott sein Leben aus. Er beging keinen Ehebruch, richtete nicht andere, gab Almosen, sammelte keine Schätze, trat Feinden wohlwollend gegenüber, vergab, war bestrebt, immer Gottes Willen zu tun (Hiob 31). Wie konnte er mit diesem gerechten Lebenswandel von Gott bestraft werden?

Der Lebenswandel des Hiob erinnert an die Weise, wie Jesus in der Bergpredigt ein Leben nach Gottes Willen beschreibt (Matthäus 5-7). Nahezu identisch werden die Themen sowohl bei Hiob als auch in der Bergpredigt aufgelistet. Zentrum der Bergpredigt Jesu ist das Gottesverhältnis, das im Beten des Vaterunser seinen Ausdruck findet. Genau darum geht es in den inneren Kämpfen des Hiob. Wird er, der Gottes Willen lebt wie kein anderer, bei Gott bleiben und zu ihm beten: "Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden"? Dass Hiob dieses Gebet nicht sofort sprechen kann, zeigen seine heftigen und ehrlichen Aufschreie. Dass er am Ende der Reden genau in diese Bitte einstimmt, ist Ziel seiner Auseinandersetzung mit Gott selbst.

Hiob 19,23-27

Hiob: "Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen! Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der letzte wird er über dem Staub sich erheben. Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch  Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust."

Hiob erfährt sich als in einem Rechtsstreit stehend. Ankläger ist Gott, der Angeklagte ist Hiob. Wichtig ist für Hiob, einen Verteidiger an seiner Seite zu haben, der ihn aus diesem Rechtsstreit herauspaukt. Doch wer ist sein Verteidiger? Seine Freunde haben versagt. Statt ihn zu verteidigen, sind sie zu Anklägern geworden. Gott hielt er vor seinem Einbruch für seinen Verteidiger, doch er sitzt jetzt offensichtlich auf der Anklagebank. Hiob will sich damit nicht abfinden. Er ruft den Gott, den er als seinen Beistand kannte, auf gegen Gott, der ihm zum Feind geworden ist. Hiob hält in extremer Spannung an Gott gegen Gott fest. Er wünscht sich nicht zuerst die Wiederherstellung seines früheren Glücks, sondern Gott zu schauen: "Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust." Er will Gott sehen, der nicht länger Feind bleibt, sondern wieder neu zum Freund wird und seine Zweifel auflöst.

Gott antwortet Hiob

Aus dem Wettersturm antwortet Gott Hiob (Hiob 38,1-7). Er erklärt sich als Schöpfer und weist seinem Geschöpf Hiob den Platz zu: "Wo bist du gewesen, als ich die Erde erschuf?"

Vier Aspekte enthalten Gottes Antworten, die auch über Hiob selbst hinausweisen zu Jesus Christus:

1 Gott antwortet aus dem Wettersturm
Gott lässt sich nicht auf Hiobs Ebene herab. Er lässt sich von Hiob nicht zwingen, auf die von Hiob eingeforderte Weise mit ihm zu kommunizieren. Gott ist frei und unverfügbar, auch in seinem Antworten. Da er der Schöpfer ist, kann er allein heraushelfen. Die Freunde Hiobs behaupteten, dass sie Gottes Handeln erklären könnten. Gott selbst lehrt Hiob, dass sein Handeln von Menschen nicht zu fassen ist. Einzig angemessenes Verhalten ist für Hiob, an Gott festzuhalten, zu bitten und zu warten auf Gott.

Dass Gottes Antworten gerade aus einem Wettersturm Sturmkommt, mag für Hiob überraschend sein, hat er doch vorher (Hiob 9,16-17) Gott erlebt, wie wenn der aus einem Wettersturm auf ihn einpeitschte und ihn verletzte. Es ist nicht der strafende Gott, dem Hiob nun im Wettersturm begegnet, sondern der Souverän, der ihm deutlich macht, dass er ihn nie loslässt.

2 Gott bestätigt nicht die Freunde
Gott lässt sich nicht auf eine einfache Formel bringen: Bist du gerecht, geht es dir gut. Tust du fromme Werke, wirst du reich. Betest du, bleibst du gesund. Er ist keine Wunderpille für ein unbeschwertes Leben, sondern ihm geht es darum, dass Menschen ihn ernst und wichtig nehmen und ihr Leben nach ihm ausrichten, egal unter welchen Umständen.

3 Gott verteidigt sich nicht
Gott erklärt Hiob nicht, warum es ihm schlecht gegangen ist. Er erzählt ihm nicht, wie der Teufel Hiob von Gott weglocken wollte. Er hat es nicht nötig, seine Motive vor Hiob zu entblättern. Gott weist Hiob seinen Platz in der Schöpfung zu. Es ist nicht der Platz in der Mitte, von dem aus Hiob seine Lage und Gottes Handeln beurteilen kann, sondern ein Platz, der ihn einen unter vielen sein lässt, über die Gott der Herr ist. Denn, so macht es Gott deutlich, die Welt ist Gott nicht nützlich. Gott braucht weder die Welt noch Hiob. Gott liebt die Welt und wendet sich ihr in großer Freiheit zu. So erwartet er die ehrliche Liebe der Geschöpfe, die ohne Zweck Gott die Ehre geben, weil sie auf seine Liebe antworten wollen.

4 Gott antwortet Hiob mit seiner Zuwendung
Hiob gesteht: "Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber  nun hat mein Auge dich gesehen." (Hiob 42,5) Was er sich so erhofft hat, ist eingetreten. Gott hat ihm sein Gesicht zugewandt. Er sieht nun nicht länger den Feind, der ihn fertig machen will, sondern den, den er kannte, den Freund, der Hiob lieb hat. 

Diese Zuwendung Gottes ist im Buch Hiob noch mit großem Abstand verbunden. Der Schöpfer zeigt sich seinem Geschöpf. Doch Hiob deutet über sich hinaus. Der Erlöser, den Hiob herbeiflehte, ist gekommen. Gott hat seinen Sohn Jesus Christus in unsere Welt gesandt, damit wir Gott als liebenden Vater deutlich erkennen können. Die Frage nach dem Sinn im Leiden stellt sich heute wie damals, auch wenn wir für uns nicht in Anspruch nehmen können, so gerecht zu sein, wie Hiob es mit seinem tadellosen Lebenswandel war. Immer noch liegen die Antworten der Freunde nahe, dass es die Strafe Gottes ist, dass man sich das alles selbst eingebrockt hat, dass es reine Erziehungsmaßnahme Gottes ist.

Jesus gibt uns eine andere Antwort. Warum ausgerechnet wir Leid erleben, das können wir nicht erklären und beantworten, außer dass es mit dem Sündenfall in unsere Welt gekommen ist. Was zählt ist, dass auch im Leid Gott da ist. Weil Jesus das Leiden bis in die Tiefe seiner Gottverlassenheit am Kreuz als Schuldloser für uns ertragen hat, lässt er uns darin nicht allein. Gott hat ihn auferweckt und damit neue Zukunft eröffnet für alle, die sich an Jesus Christus festhalten. Leid soll nicht mehr von Gott trennen und zum ewigen Tod führen. Jesus ist im Leiden da für uns. Und er gibt in der Talsohle unseres Lebens Gewissheit, dass nichts uns von seiner Liebe trennen kann.

Wenn wir in einer Hiobssituation sind, dürfen wir darauf vertrauen, dass Jesus uns anrührt und unseren Blick auf ihn richtet. Auch wenn es durch innere Kämpfe geht wie bei Hiob, steht Jesus zu seinem Wort: 

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Johannes 3,16)

Er lässt uns nicht los, bis wir in Ewigkeit schauen werden, was wir geglaubt haben. 

Cornelia Trick


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