Der neue Mensch (Kolosser 3,12-15)
Gottesdienst für den 18.4.2021 in Brombach, wegen des Lockdowns ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
eine Bekannte kam vom Frisör, nach drei Monaten war sie glücklich über die Runderneuerung. Sie erzählte begeistert, dass sie sich nun wie ein neuer Mensch fühlte. In der Frauenzeitschrift, die meine Mutter früher las, gab es eine Spalte „vorher-nachher“. Die Frauen wurden umgestylt und wirkten auf den „Nachher-Fotos“ wie neue Menschen. Jemand kam nach einer Sabbatzeit wieder zurück in den Dienst und erzählte von seiner neuen Energie, Ideen, die wieder sprudelten und großer Lust zum Arbeiten. Er sagte von sich: „Ich bin ein neuer Mensch!“

Was macht einen neuen Menschen aus, ein Frisörbesuch, eine Typveränderung, Erholung? Wohl von allem etwas und noch viel mehr. Für uns Christen ist Ostern das Ereignis, das den Weg zu einem neuen Menschsein bahnt. Jesus ist auferstanden, eine persönliche Beziehung zu Gott ist möglich. Von nun an sind wir angeschlossen an Gottes Möglichkeiten, und alles kann neu werden.

Wie dieser neue Mensch aussieht, beschreibt der Kolosserbrief genauer. Der Brief wurde an Christen gerichtet, die eine deutliche Lebenswende erfahren hatten. Bei ihnen gab es ein Vorher – ohne Jesus – und ein Nachher – mit Jesus. Vorher lebten sie wie alle anderen auch. Sie wollten sich selbst voranbringen, das Beste aus sich machen, den gesellschaftlichen Anforderungen genügen. Dabei kam es zu Rücksichtslosigkeiten, man war neidisch aufeinander, und mit der Wahrheit nahm man es auch nicht immer so genau. Wir können davon ausgehen, dass die Leute damals sich ähnlich verhielten wie wir heute, auch wenn der Kolosserbrief die Lebensweise vor der Begegnung mit Jesus in sehr düsteren Farben malte. Die Menschen waren nicht wirklich böse. Sie suchten Anerkennung und nutzten dafür nicht immer die richtigen Mittel. 

Sie kamen mit Christen in Kontakt, ließen sich vielleicht zu einer Zusammenkunft einladen. Der Glaube an Jesus war attraktiv, so viel Freiheit spürten sie den Christen ab, so viel Lebensfreude und Zuversicht, Gemeinsinn und Vertrauen. Vielleicht fingen sie an zu beten und erlebten Gebetserhörungen. Vielleicht spürten sie, dass Jesus ihre Probleme sah und ihnen damit half. Vielleicht wuchs in ihnen Hoffnung, die sie einfach glücklich machte. Sie traten gerne über die Schwelle in ein Leben mit Jesus, ließen sich taufen und streiften den „alten Menschen“, der ohne diese Kraft Gottes auszukommen schien, ab. 
Doch eine Taufe, der Schritt über die Schwelle allein genügt nicht. Die Zusage Jesu ist immer wieder nötig und auch der Blick in den Spiegel, um zu prüfen, wo wir gerade stehen. Der Kolosserbrief kann solch ein Spiegel sein.

Kolosser 3,12-15
Gott hat euch als seine Heiligen erwählt, denen er seine Liebe schenkt. Darum legt nun die entsprechende »Kleidung« an: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld. Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorwirft. Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben! Und über all das legt die Liebe an. Sie ist das Band, das alles andere zusammenhält und vollendet. Und der Friede, den Christus schenkt, lenke eure Herzen. Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Und dafür sollt ihr dankbar sein!

Das neue Gewand
Gott hat uns in sein Team gewählt, wir sind jetzt Heilige, die zu Gott gehören. Ein adoptierter Mann erzählte mir mal, wie er seine Adoption empfand. Seine Eltern hatten ihn ganz bewusst aufgenommen, sie wollten genau ihn. Zwar spürte er den Schmerz, seine leiblichen Eltern nicht zu kennen, aber er ist aufgewachsen mit der Sicherheit, wirklich gewollt zu sein.

Gott hat uns erwählt und bewusst in seine Familie aufgenommen. Wir tragen jetzt Jesu Namen, sind „Christen“ und tragen einen Pass, der uns Bürgerrechte im Himmel gibt. Wir sind heilig, weil wir zum heiligen Gott gehören, der uns beeinflusst. Als neue Familienmitglieder werden wir eingekleidet. Was uns viel zu eng war und uns einschnürte, können wir wegschmeißen:

  • Den Druck von innen, nicht den Anforderungen zu genügen und mehr aus uns machen zu müssen.
  • Den Druck, den wir ausüben, weil wir andere für unseren Zustand verantwortlich machen.
  • Die Verhaltensmuster, aus denen wir nicht herauskommen und die uns immer in die gleichen Fallen tappen lassen.
Die neuen Kleider schenken uns die Fähigkeit, in gelingenden Beziehungen leben zu können. 
  • Herzliches Erbarmen verhindert ein Oben-Unten und Rechthaberei.
  • Güte lässt mich wünschen, dass es meinem Gegenüber gut geht, statt neidisch auf sie zu sein.
  • Demut verhindert, dass ich mich zum Maßstab setze. Sicher haben die anderen auch etwas Wichtiges einzubringen.
  • Freundlichkeit ist Türöffner für Beziehungen und hilft, einander als Freunde, nicht als Konkurrenten wahrzunehmen.
  • Geduld schenkt Gelassenheit und Zeit für Entwicklungen.
Diese Kleider müssen wir nicht erst suchen oder kaufen, sie liegen in der Umkleide für uns bereit. Sie werden uns verändern, denn Jesus ist sozusagen der Gürtel, der sie fest an uns bindet, damit wir sie nicht verlieren.

Kommen wir aus der Theorie in die Praxis. Der neue Mensch braucht den Impuls von Jesus immer wieder. Und diesen Impuls bekomme ich, wenn ich mich Jesus hinhalte, ihm Raum gebe, an mir zu wirken. Ich las einen interessanten Artikel über Lernen im Homeschooling. Wie können Schüler und Schülerinnen am besten Lernstoff zuhause verinnerlichen? Wiederholen und das auch gerne laut war ein Stichwort, abgefragt werden und mit einer anderen Person über den Lernstoff reden waren andere Tipps. Bibelworte immer wieder zu vergegenwärtigen, Lieder jeden Tag zu singen, regelmäßig 10 Minuten für Gott zu reservieren, helfen genauso, wie  mich „abfragen“ zu lassen und selbst zu erklären, warum mir dieses Bibelwort oder jenes Lied so wichtig sind. 

Aus der intensiveren Beziehung zu Jesus wächst Dankbarkeit, denn immer mehr erkenne ich, dass ich mein Leben nicht selbst in der Hand habe und Jesus vertrauen kann. Seine Fußspuren in meinem Alltag lerne ich zu erkennen.

Die neuen Kleider sind nicht nur für mich selbst „im Homeoffice“ bestimmt, sondern sollen unter die Leute gebracht werden. Hier haben sie Auswirkungen, denn es wird nun möglich, einander zu ertragen, zu vergeben und in Frieden zu leben.

Der Kolosserbrief zeichnet ein realistisches Bild vom Miteinander. Zusammenleben wird trotz der neuen Kleider nicht schwerelos. 

Es wird nötig sein, einander zu ertragen. Ich deute dieses Ertragen so: Wir haben einen langen Atem im Umgang, wir lassen uns stehen und akzeptieren Meinungsverschiedenheiten, solange sie niemand beschädigen. Wir räumen einander Platz ein, damit unterschiedliche Bedürfnisse und Charaktere sich entfalten können. 

Wenn wir uns nahekommen, treten wir uns leicht auf die Füße. Da hilft es oft nicht, auf die Entschuldigung der anderen zu warten. Vielleicht hat sie gar nicht gemerkt, dass sie mir zu nahegekommen ist. Hier bin ich dran, für mich selbst in meinem Herzen zu vergeben. Das braucht Zeit und oft Abstand. Es bewirkt, dass zwei weiter in der gleichen Gemeinde bleiben können, nicht unbedingt als dicke Freunde, aber in gegenseitigem Respekt. Die Grundhaltung ist, dass wir uns nicht auf unsere Fehler und Schwächen festlegen, da wir alle nicht perfekt sind und von Jesus Vergebung brauchen.

Im Frieden zu leben, ist das Ziel dieser neuen Kleiderordnung. Bei einer Fortbildung hatten wir die Aufgabe, uns im Raum so zu verteilen, dass die Abstände zueinander wiedergeben, ob wir uns näher oder ferner sind. Da standen wir als Freunde dicht beieinander, die Kollegen, mit denen wir nicht viel zu tun hatten, weiter weg. So stelle ich mir den Frieden in der Gemeinde vor. Wir haben Raum, um Nähe und Distanz zu leben, aber sind nicht festgelegt, können frei umhergehen, neue Nähe entdecken und neue Abstände akzeptieren. Wir sind entspannt dabei, weil wir die Liebe Jesu spüren, der uns nicht auf eine Position festlegt, sondern immer zwischendurch läuft, uns antippt, ermutigt und zu anderen schickt. 

So werden wir fähig, in unseren neuen Kleidern nicht nur als festgefügte Gemeindefamilie zu leben, sondern andere aufzunehmen, sie zu werben für diesen Friedensraum, in dem jede und jeder sein Lebensrecht hat. Denn Gemeinde ist niemals Selbstzweck, sondern Hoffnungsträgerin Lebensraum für die, die sich sehnen, neue Menschen zu werden.

Cornelia Trick


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Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
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